aus Wikipedia:

Unternimm die Zukunft

Unternimm die Zukunft ist eine von Götz Werner im November 2005 gegründete politische Initiative, die die Einführung eines bedingungsloses Grundeinkommens (auch Bürgergeld genannt) in Deutschland fordert.

 

Inhaltsverzeichnis:

-          Theorie

-          Geschichte

-          Kritik

-          Reaktionen auf die Kritik

-          Siehe auch

-          Weblinks

-          Quellen

 

Theorie

Götz Werner geht davon aus, dass sich durch die Rationalisierung und Automatisierung, die er durchaus begrüßt, in den Produktionsprozessen nie wieder Vollbeschäftigung erreichen ließe. Das paradoxe Ergebnis sei die Vergrößerung der Armut durch Arbeitslosigkeit bei gleichzeitig immer größer werdender Produktivität und einer ungleichen Verteilung des insgesamt steigenden Reichtums. Das eigentliche ökonomische Problem sei also keine Wirtschafts-, sondern eine "Verteilungskrise".

Als Lösung wird die Einführung eines Grundeinkommens, zunächst in Höhe von 200 bis 400 EUR, vorgeschlagen, das jeder Bürger mit deutscher Staatsangehörigkeit bedingungslos erhalten soll. Später(in einem Verlauf von 15-20 Jahren) soll das Einkommen auf 1300 bis 1500 gesteigert werden. Es soll über eine ca. 48%ige Mehrwertsteuer (bzw. von Werner "Konsumsteuer" genannt) finanziert werden bei Abschaffung aller anderen Steuern aus Einkommen (Lohnsteuer, Einkommensteuer, Kapitalertragsteuer, evtl. Vermögensteuer).

Der Vorteil sei ein umfangreicher Abbau staatlicher Bürokratie sowie nur noch eine transparente wettbewerbsneutrale und wertschöpfungsneutrale Steuer. Nicht Leistung, sondern Konsum würde so besteuert - und Importe wären durch die einheitliche Konsumsteuer ebenso belastet wie die inländischen Produkte. Gleichzeitig wäre der Export entlastet von Steuern sowie teilweise von Lohnkosten gerade im unteren Lohnbereich. Entfallen würden weiter Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Erwerbsunfähigkeitsversicherung, Sozialhilfe. Tarifrecht und Kündigungsschutz wird überflüssig. Allerdings müsste der Bürger seine Krankenversicherung dann selbst aufbringen. Unternehmer könnten bereits für 200 bis 300 Euro pro Monat Arbeitnehmer einstellen. Der Arbeitnehmer würde erhalten: 1500 + 200 Euro. Ausländische Unternehmer würden wegen der hohen Produktivität mehr in Deutschland produzieren. Die Menschen würden nicht mehr arbeiten, um das Einkommen zu sichern, sondern nur noch, weil die Menschen Freude an der Arbeit haben. Es wird effektiver und stressfreier gearbeitet. Die Angst der Menschen, Einkommen sichern zu müssen, entfällt. Statt einem Recht auf Arbeit, gibt es ein Recht auf Einkommen. Es würde einen großen Impuls für Kulturarbeit, Bildungs- und Pflegearbeit sowie für Wissenschaft und Forschung geben. Das Ehrenamt würde gestärkt werden. Das Grundeinkommen soll je nach Lebensalter zwischen 800 und 1500 Euro liegen. Bereits heute gibt der deutsche Staat sehr viel Geld für eine Grundsicherung seiner Bürger aus (720 Mrd. pro Jahr für bestehende soziale "Transfersysteme" [1] [2]). Dieses Geld würde bereits zur Zahlung eines kleinen Grundeinkommens von 800 Euro pro Monat pro Person ausreichen [3] [4]. Deshalb ist faktisch keine Steuererhöhung notwendig, lediglich eine Steuerumverteilung. Durch steigende Prosperität kann auf Dauer das Grundeinkommen erhöht werden. [5]

Kritik, Unternehmer würden so über die Maßen hinaus stark entlastet, wird entgegnet, dass Unternehmen die bisher gezahlten Steuern über die Preise ohnehin an den Endverbraucher weitergegeben hätten, weshalb dieser letztlich immer sämtliche Steuerlast zu tragen habe.

Beispiel aus der Sendung 'Menschen bei Maischberger' vom 2.5.06: Bei einer Zahnbürste, die heute 1,20 Euro kostet, sind heute bereits 60 Cent Steuer (Lohnnebenkosten usw.). Bei Entfallen der Lohnnebenkosten und Einführung einer 50-prozentigen Mehrwertsteuer, würde die Zahnbürste den Verbraucher wieder 1,20 Euro kosten.[5]. Jedoch sind die Zahlenwerte fehlerhaft. Denn bei einem Nettopreis von 60 Cent und einer Mehrwertsteuer von 50% ergibt sich ein Bruttopreis von nur 90 Cent.

 

 

 

zurück zum Seitenanfang zurück zum Seitenanfang

 

 

 

Geschichte

Im November 2005 kündigte der geschäftsführende Inhaber der Drogeriemarktkette dm, Götz Werner, mit einer Anzeigenkampagne von einem Schaltvolumen von insgesamt 300.000 EUR die Gründung der Initiative "Unternimm die Zukunft" an. Die Kampagne begann mit einer halbseitigen Anzeige in der Wochenzeitschrift "Die Zeit" und wurde dann mit jeweils einem Tag Abstand in anderen überregionalen Tageszeitungen wie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Süddeutschen Zeitung fortgesetzt.

Am 23. und 24. Februar 2006 veranstaltete Werner ein Symposium zum Grundeinkommen an der Universität Karlsruhe.

 

 

zurück zum Seitenanfang

zurück zum Seitenanfang

 

 

 

Kritik

Folgende Kritikpunkte werden genannt:

§         Eine im internationalen Vergleich sehr hohe Mehrwertsteuer würde zu einer Konsumverlagerung in das Ausland führen, insbesondere wenn der Wohnort grenznah ist oder wenn das angesparte Kapital eine Verlagerung des Lebensmittelpunktes zulässt. Nicht nur importierte Waren wären im Ausland günstiger, sondern auch inländische, selbst wenn diese im Inland nach Einführung des Modells von Werner nicht teurer würden.

§         Durch die Umstellung der Finanzierung allein auf eine (nicht progressive) hohe Mehrwertsteuer wird das Problem der zunehmenden Polarisierung von Arm und Reich nicht gelöst. Die Akkumulation funktionsloser Vermögen bei den Wohlhabenden, die trotz hohem Vermögen/Einkommen anteilig kaum am Konsum teilnehmen, würde sogar beschleunigt, die Binnenkaufkraft aber weiter geschwächt werden. Somit ist fraglich ob ohne einen Rückkopplungsmechanismus bezüglich hoher alter Gewinne/Vermögen die unteren und mittleren konsumierenden Klassen ihren eigenen Sozialtransfer allein aus sich selbst finanzieren können. Die Vorteile aus der zunehmenden Automatisierung und Globalisierung kommen vor allem und zunehmend der wohlhabendendsten Schicht zugute. Selbst in Ländern wie USA und Großbritannien existieren eine Vermögensteuer in Form einer vergleichsweisen hohen Grundsteuer und leistet einen erheblichen Beitrag (ca. 8 bis 9 %) zum Steueraufkommen[6].

§         Die Behauptung, Unternehmer würden makroökonomisch betrachtet letztlich alle ihre Steuern über die Preise weitergeben ist eine fehlerhafte Vereinfachung. Die Gewinnmöglichkeiten der Unternehmer in einer effizienten Marktwirtschaft entsprechen ihrem technischen und methodischen Vorteil gegenüber anderen (potentiellen) Unternehmern. Eine pauschale steuerliche Rückkopplung z.B. per Vermögensteuer und/oder progressiver Einkommensteuer würde insgesamt die Verteilungskurve der Vermögen/Einkommen abflachen und damit wie gewünscht zu einer besseren Verteilung des Reichtums führen. Eine Mehrwertsteuer allein läuft Gefahr, gerade die anteilig wenig am Konsum teilnehmenden Großvermögen der Reichen nicht einzubeziehen und nur auf dem schon schwächeren Teil der Reichtumsverteilungskurve zu wirken.

§         Die plötzliche Einführung eines sehr hohen bereits existenzsichernden Grundeinkommens von 1500 € könnte zu sehr den Leistungsanreiz beeinträchtigen und noch nicht dem derzeitigen Automatisierungsgrad der Wirtschaft entsprechen. Eine stufenweise Einführung des bedingungslosen Bürgergeldes, und ggf. eine iterative Anpassung seiner Höhe an die Erfordernisse (ähnlich wie beim geldpolitischen Instrument des Leitzinses) sollten vorgesehen sein.

§         Fundiertere wissenschaftliche Modellrechnungen und Simulationen für das Modell stehen noch aus. Erst dadurch könnten die idealen Größenordnungen und Finanzierungsmöglichkeiten/Steuern ausgelotet werden. Ein Teil des für die Kampagnen vorgesehenen Geldes könnte besser für die Beschaffung dieser wissenschaftlichen Grundlagen verwendet werden, was der Seriosität der Initiative dienen würde.

§         In Beantwortung der Kritik, dass sich bei Zahlung eines Bürgergelds niemand mehr als Müllmann verdingen würde, weist die Initiative in ihren FAQ darauf hin, dass "Grundeinkommen ... zunächst nur an Bundesbürger und vielleicht an lange in Deutschland lebende ausländische Mitbürger gezahlt werden können. Alle anderen Mitbürger hätten dadurch viel bessere Aussichten, eine Arbeit in Deutschland zu finden"[7]. Diese Idee widerspricht EU-Gemeinschaftsrecht, wonach Sozialleistungen nicht nach Staatsangehörigkeit differenziert werden dürfen, sondern zumindest allen EU-Bürgern in der Bundesrepublik gleichmäßig zugute kommen müssen, weil andernfalls die Freizügigkeit beeinträchtigt würde. Außerdem stellt sich die Frage, ob es mit unserem Selbstverständnis vereinbar wäre, wenn alle in Deutschland Bürgergeld bekommen, nur die Nicht-EU-Mitbürger nicht. Einen sachlichen Grund, der nicht allein in der Staatsbürgschaft liegt, gibt es nicht. Es würde eine Zwei-Klassen-Gesellschaft entstehen: Menschen mit Grundeinkommen und ohne Grundeinkommen. Für Menschen ohne Grundeinkommen gäbe es keinerlei sozialen Absicherungen mehr. Außerdem hätten diese Menschen meist nur einen sehr kleinen Verdienst. => Verelendung. Dabei würden diese Menschen die Konsumsteuer entrichten wie alle anderen Menschen im Land auch. Beteiligt man hingegen jeden Menschen an der Grundsteuer, der legal im Land lebt, wird dies eine Einwanderungswelle lostreten.

§         Eine alleinige Besteuerung über die Mehrwertsteuer birgt einen weiteren Kritikpunkt. Bei der Internalisierung externer Effekte z.B. durch das Verbrennen von Mineralöl muss der Staat weitere Handlungsmöglichkeiten (wie z.B. die Erhebung einer Ökosteuer) haben. Dies wird der Marktmechanismus nicht effizient lösen können, da die sozialen Kosten dort nicht oder nur ungenügend berücksichtigt werden. Weiter gedacht in diese Richtung muss der Staat dann auch Subventionen zahlen können, um Innovationen zu fördern, die durch Substitutionseffekte über den Preismechanismus auf Märkten erst später zustande kämen. Die Forschung würde sich dadurch, im Vergleich zu anderen Ländern, in denen Subventionen gezahlt werden, langsamer entwickeln.

§         Kritikpunkt von Lothar Späth[5]: Bei einer derart hohen Mehrwertsteuer wird die Schwarzarbeit blühen. Das System könnte daran kollabieren.

§         Kritikpunkt von Oskar Lafontaine[5]: was passiert mit Menschen, die heute 1500 Euro im Monat verdienen? Werner: diese würden dann Null zusätzlich verdienen. Lafontaine: Darin liegt das große Problem dieses Systems. Anmerkung dazu: Dieses Zitat ist etwas aus dem Zusammenhang gerissen: Es fiel zu einem Zeitpunkt in der Sendung als Herr Lafontaine das System vorgestellt bekam und es noch nicht verstanden hatte. Im weiteren Verlauf des Dialoges verteidigt Herr Werner sein System: "Dann müssten die Unternehmen die Attraktivität ihrer Arbeitsplätze überdenken und etwa den Lohn erhöhen." Das System sieht vor, dass die Unternehmen das Grundeinkommen um ihre Lohnzahlungen erweitern.

§         Kritikpunkt von Lothar Späth[5]: Es gibt richtige Knochenjobs, die nicht gut bezahlt sind. Die wird dann keiner mehr machen wollen. Antwort Werner: Dann muss der Unternehmer diese Jobs besser bezahlen oder automatisieren oder diese Produktion einstellen.

§         Ausländische Produkte würden sehr teuer: die Preise ausländischer Produkte enthalten zumindest teilweise noch Lohnnebenkosten. Auf diese Preise würde dann noch die Konsumsteuer von 50 Prozent aufgesattelt. Diese Produkte wären für Bürger kaum noch bezahlbar. Schmuggeln hätte Hochkonjunktur. Insgesamt würde die Nachfrage nach inländischen Produkten steigen, aber vieles kann auch nicht im Land produziert werden.

§         1 Prozent Mehrwertsteuer bringt in Deutschland dem Staat etwa 8,125 Mrd. Euro pro Jahr ( siehe Grafik: Entwicklung des Umsatzsteueraufkommens). Teilt man dies durch 80 Mio. Bürger bleiben jedem Bürger etwa 100 Euro pro Jahr pro 1 Prozent MWST, also weniger als 10 Euro pro Monat pro Bürger pro 1 Prozent MWST. Um nur auf 1000 Euro Grundeinkommen pro Bürger pro Monat zu gelangen, müsste die MWST bereits um 100 Prozent erhöht werden. Allein um das bundesdeutsche jährliche Steueraufkommen von 420 Mrd. Euro (siehe Steueraufkommen (Deutschland)) über die MWST abzudecken, müsste die MWST auf 56 Prozent erhöht werden.

§         Wird heute ein Produkt exportiert, finanziert der ausländische Verbraucher den deutschen Sozialstaat mit, da Lohnnebenkosten im Produktpreis enthalten sind. Bei einer Verlegung der Steuereinnahmen rein auf Konsumsteuer, müsste der deutsche Bürger seinen Sozialstaat alleine finanzieren. Die Belastung für den deutschen Bürger wäre höher als heute. Dies könnte jedoch durch eine Konsumsteuer auf exportierte Güter ausgeglichen werden, wodurch jedoch der Produktpreis für ausländische Käufer wieder steigt. Bei einem Exportvolumen von 800 Milliarden Euro jährlich (siehe Export) würden ohne Steuereinnahmen auf diesem Teil vermutlich Steuerausfälle von 100 Mrd. bis 200 Mrd. Euro stattfinden. Zum Ausgleich müsste die inländische MwSt um 13 bis 26 Prozent höher liegen.

 

 

 

zurück zum Seitenanfang zurück zum Seitenanfang

 

 

 

Reaktionen auf die Kritik

§         Der im ersten Kritikpunkt angesprochene Preisgradient fällt nicht so hoch aus, wie es den ersten Anschein hat (z.B. 148 zu 120 an der Grenze zu Österreich), da die in beiden Fällen vorhandenen lohnintensiven Einzelhandelskosten beim Werner'schen Modell deutlich geringer sind.

§         Die im zweiten Kritikpunkt befürchtete Polarisierung ist so nicht festzustellen. In Alaska hat ein deutlich unter den Forderungen Werners liegendes Grundeinkommen zur Verringerung der Ungleichheit geführt.

 

 

 

 

zurück zum Seitenanfang

zurück zum Seitenanfang

 

 

 

 

Siehe auch

 

zurück zum Seitenanfang

zurück zum Seitenanfang

 

 

Weblinks

 

 

 

zurück zum Seitenanfang zurück zum Seitenanfang

 

 

 

Quellen

  1. homepage der Initiative
  2. Professor Thomas Straubhaar, Direktor des Hamburger Welt-Wirtschafts-Instituts HWWI: "(...) die gesamten Sozialausgaben, die heute 720 Milliarden Euro betragen."
  3. 720 Mrd Euro / 12 Monate / 80 Mio Menschen = 750 Euro pro Person pro Monat
  4. Professor Thomas Straubhaar, Direktor des Hamburger Welt-Wirtschafts-Instituts HWWI: zu den 750 Euro kommen nochmals 50 Euro aus Reduzierung der Bürokratie dazu.
  5. a b c d e f Menschen bei Maischberger, ARD, Sendung vom 2.5.06, Titel: "Revolution: Nie mehr arbeiten! Geld für alle!". In der Sendung wird die Theorie von Werner selbst vorgestellt. Video siehe weblinks. Gesprächsteilnehmer sind Götz Werner, Lothar Späth, Oskar Lafontaine, Dirk Uwe Krüger, Markus Frick.
  6. Zur Vermögenssteuer in den USA genauer: Property Tax Artikel der Englischen Wikipedia zur Vermögenssteuer, Sprach: Englisch)
  7. FAQ der Initiative "Unternimm die Zukunft"

 

 

Von „http://lexikon.freenet.de/Unternimm_die_Zukunft

 

zurück zum Seitenanfang zurück zum Seitenanfang