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Vorbemerkung

 

 

Jede Leserin und jeder Leser wird sich wahrscheinlich fragen: In welchem Zusammenhang sind die Redebeiträge gehalten worden? Und welche Vorgeschichte hat ihren mündlichen Ausdruck und schriftlichen Druck notwendig gemacht? Auf diese Fragen soll die Vorbemerkung eine stichwortartige Antwort geben.

 

Die Krise im Arbeitszentrum Berlin von 2003 bis 2006, näherhin die mangelnde Erkenntnis-auseinandersetzung um Judith von Halles Stigmatisation im Geistesleben, der  unverhältnismäßige Entzug der Vollmachten von Judith von Halle, Edda Lechner und Peter Tradowsky durch den Vorstand der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland im Rechtsleben und der u.a. damit einhergehende Schwund der Mitglieder und Mitgliedsbeiträge im Wirtschaftsleben, haben in der Mitgliedschaft zu der Forderung geführt: eine unabhängige Untersuchungskommission mit der Aufklärung der Berliner Krise zu beauftragen.

 

Auf der Mitgliederversammlung vom 20./21. Mai 2006 ist Dr. Erhard Kröner, selbst 25 Jahre lang Mitglied des anthroposophischen Landesvorstand sowie Pfarrer i.R. und ehem. Lenker in der Christengemeinschaft, vom Vorstand für diese Aufgabe angefragt worden. Er hat vor der Versammlung die Modalitäten dieser Aufgabe mit drei Bedingungen präzisiert:

1. Die Untersuchungskommission solle Urteils-Findungs-Kommission heißen, weil es ihr darum gehe, durch die Dokumentation der Berliner Krise jene Grundlage bereit zustellen, auf der die Mitglieder zu einem Urteil finden können. Sie sei selbst nicht Partei, sondern unabhängig der Sache verpflichtet.

2. Er wolle zur Ausgewogenheit der Urteils-Findung zwei unabhängige Mitstreiter in die Kommission berufen: den Hamburger Rechtsanwalt und Unternehmer Alexander von der Geest und eine Dame, die noch zu finden sei, da, wie Rudolf Steiner betont habe, die Urteilfähigkeit der Männer im 20.  Jahrhundert abnehme (schallendes Lachen im Saal. Der betagte Mann hatte mit diesen weisen Worten die Sympathien der Mitglieder gewonnen. Ich selbst habe damals herzlich mitgelacht und mich gefragt, welche Frau es denn wohl sein werde. Ich hatte natürlich nicht im Entferntesten damit gerechnet, dass Herr Kröner mich eine Woche später anfragen und ich ihm wiederum eine Woche später auch zusagen würde.)

3. Die Kommissionsarbeit sei auf ein Jahr angelegt und werde „nicht unerhebliche Kosten“ im geschätzten Umfang von 50.000 Euro verursachen. Er fragte die Mitglieder, ob sie diese Bedingungen mittragen wollen.

Die Mitgliederversammlung von 2006 stimmte in Kassel den drei Bedingungen zu und beauftragte die Urteils-Findungs-Kommission (UFK) mit der Untersuchung der Berliner Krise.

 

Damit war klar, dass die UFK der Mitgliederversammlung und nicht dem Vorstand gegenüber verpflichtet und rechenschaftspflichtig ist. Der Vorstand hatte zu ermöglichen und auszuführen, was die Mitgliederversammlung bestimmt hatte. Er war aber selbst derart in die Berliner Krise verstrickt, dass eine unabhängige Untersuchung seiner Taten auch kritische, ihn selbst belastende Tatsachen zu Tage fördern konnte. Da der Vorstand selbst die Bildung einer Untersuchungskommission auf der Mitgliederversammlung zur Sprache und damit auf den Weg gebracht hatte, gingen die Mitglieder der UFK davon aus, dass der Vorstand aufgrund der mündlichen Vereinbarung die Untersuchungstätigkeit hinsichtlich der Aufklärung und Finanzierung mittragen würde. Im Rückblick betrachtet, hätten die UFK-Mitglieder besser daran getan, eine schriftliche Vereinbarung über den Gegenstand der Untersuchung und den Umfang der Finanzierung mit dem Vorstand zu unterzeichnen.

 

Denn es zeigte sich, dass der Vorstand „aus dem Bauchgefühl“ heraus pauschal maximal 10.000 Euro für die gesamte UFK-Arbeit veranschlagte, aber gar nicht bereit war, auf den realen Ausgabenumfang hinzublicken: Fahrtkosten und Spesen, technisches Equipment und Schreibbüro für die Interviews mit den Beteiligten der Berliner Krise, Honorare und Materialkosten für die Erstellung des Abschlussberichts. So kam es, dass die Fahrt- und Materialkosten zwar erstattet wurden, die UFK-Mitglieder aber bisher (Ausnahme: zwei erste Raten an mich) keine Honorare erhielten und die Arbeit nach dem ersten Halbjahr zu erlahmen drohte. Die UFK-Mitglieder haben sich dann entschlossen, auf eigene Kosten erst einmal weiterzuarbeiten, um den Auftrag der Mitgliederversammlung zu erfüllen, ihr bis zum Mai 2007 den Abschlussbericht vorzulegen und sie dann um Abstimmung über die Auszahlung der Honorare zu bitten.

 

Die UFK hat in den Mitteilungen vom Mai 2007 eine Zusammenfassung des Abschlussberichts veröffentlicht, damit die Mitglieder, inhaltlich vorbereitet, der UFK bei der mündlichen Redezeit  im Plenum und der anschließenden Arbeitsgruppe sachliche Fragen zum  Abschlussbericht stellen konnten. Doch leider konnte der Abschlussbericht zur Mitgliederversammlung vom 11./13. Mai 2007 im Wesentlichen deshalb nicht fertig gestellt werden, weil einige Vorstandsmitglieder und Interviewpartner ihre Interviews als Quellenmaterial für den Bericht nicht rechtzeitig autorisieren konnten oder wollten. Als im Folgejahr dieselben Vorstandsmitglieder mit der gleichlautenden Begründung ihre Interviews wieder nicht autorisieren wollten und konnten, begann die UFK hinter dieser Aufklärungsverhinderung eine Methode anzunehmen.

 

Hinzu kam, dass die UFK zur Mitgliederversammlung 2008 fristgerecht einen Antrag auf Aussprache im Plenum und die Ermöglichung einer Arbeitsgruppe gestellt hatte, dieser aber wegen überlanger Redezeit und fehlender Auskunft über die (kritischen) Redeinhalte abgelehnt wurde und in der Tagesordnung der Mitgliederversammlung gar nicht mehr auftauchte. Die UFK verstand sich als ein Organ, das temporär mit einem konkreten Auftrag von der Mitgliederversammlung eingesetzt worden war und zur Erfüllung dieses Auftrags nicht um Honorare, auch nicht um Mithilfe bei der Aufklärung und schon gar nicht um Aussprache auf der Mitgliederversammlung beim Vorstand kniefällig betteln gehen müsse.

 

Bei der letzten Redaktionssitzung hatte ich Herrn Dr. Kröner vorgeschlagen, dass er als derjenige, der den Auftrag als erstes erteilt bekam, die mündliche Aussprache über das Ergebnis des Abschlussberichts im Plenum halten und den schriftlichen Abschlussbericht (Umfang: Teil I. 100 Seiten Darstellung, Teil II. 150 Seiten Dokumentation) einem Vorstandsmitglied stellvertretend für die Mitgliederversammlung überreichen solle, um auf diese Weise die Arbeit der UFK zu einem angemessenen Abschluss zu bringen. Erst als sich die Aufklärungsblockierung seitens des Vorstands bis in die Tagesordnung hinein abzeichnete, schaltete ich mich situativ mit einem Redebeitrag ein. Ich verabredete mit Herr Kröner, dass er in der Tagesordnung nach den vergangenheitsbezogenen Berichten über den Vorstand, die Generalsekretärin und die Finanzen das Wort für die UFK ergreifen solle und ich den Rest ergänzen würde. Als der Zeitpunkt gekommen war und ich Herrn Kröner zu seinem Redebeitrag ermutigte, da schüttelte er den Kopf. Die Stimmung im Saal stand gegen uns. Ich fragte Herrn Kröner, ob ich mich an seiner Stelle melden solle – er nickte. Aus dieser spannungsgeladenen Situation sind die zwei Redebeiträge entstanden, die im Folgenden aufgrund meiner Notizen und Erinnerungen drei Tage nach der Mitgliederversammlung niedergeschrieben und hier nun abgedruckt sind, um Gerüchten und nicht zuletzt meinen eigenen Erinnerungslücken zuvorzukommen.

 

 

Berlin, Dienstag, 1. Juli 2008

Rahel Uhlenhoff